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Ein Jahrzehnt mit rassenkundlichem Schwerpunkt
In den 30er Jahren rĂŒckte das Interesse um die Systematik innerhalb der höheren Primaten in den Blickpunkt der Forschung. Allerdings orientieren sich vorwiegend deutsche Forscher an der anachronistischen Schimpansentheorie von Weinert.
So fĂŒhrte Gieseler in seiner Monographie »Abstammungs- und Rassenkunde des Menschen« z.B. den »Stammbaum der Herrentiere« zur Vervollkommnung seiner eigenen AusfĂŒhrungen an. Die ErlĂ€uterungen inklusive Stammbaum wurden von Weinert in der zweiten HĂ€lfte der 30er Jahre veröffentlicht (Abbildung 6).
Bei diesem Stammbaum handelt es sich um eine schematisierte Darstellung, die verdeutlicht, âdaĂ keines der heute lebenden Genera der Primaten als unmittelbare VorlĂ€ufer des Menschen in Frage kommtâ.
Weiterhin ist erwĂ€hnenswert, dass der Mensch sich nicht unter Umgehung von Menschenaffen oder niederen Ostaffen unabhĂ€ngig entwickelte. Was den Primaten-stamm anging, so hat dieser sich wohl recht frĂŒhzeitig in die Affen der neuen Welt und der alten Welt gespalten.
Hinsichtlich der Entwicklungslinie zum Menschen kamen nach Weinerts und Gieselers AusfĂŒhrungen nur die Ostaffen in Frage. Die Westaffen sollten andere Entwick-lungswege gegangen sein, die nicht zur menschlichen Organisation gefĂŒhrt haben konnten.
Wie an dem Stammbaum Weinerts zu sehen ist, hat die sog. Rassenkunde und die damit zusammenhÀngenden Abstammungsfragen in den 30er Jahren eine bedeutende Rolle gespielt.
Begriffe wie Herrentiere wurden aber nicht grundsĂ€tzlich fĂŒr die Erstellung von StammbĂ€umen verwendet; oftmals tauchte weiterhin der Terminus âHomo sapiensâ in unterschiedlichen Abstammungsmodellen auf.
So lieferte A. H. Schultz einen bedeutsamen Beitrag fĂŒr die Phylogenie des Menschen (1930 ff.), der sich in der zweiten HĂ€lfte der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts mit den Skelettproportionen der Primaten beschĂ€ftigte.
Aus den Ergebnissen seiner Untersuchungen schloĂ Schultz, dass âdie Hom ein gegenĂŒber allen anderen Primaten gut abgrenzbares Taxon dar[stellten], zu dessen Hauptkennzeichen eine starke VariabilitĂ€t vieler Merkmale gehörtâ. Vergleicht man Hylobatiden, Pongiden und Hominiden, so lieĂe sich nach Schultzes AusfĂŒhrungen eine Spezialisierung an jeweils anderen Körperregionen feststellen.
Was das âProtohom-Stadiumâ angeht, so betrĂ€fe dieses bei den Hominiden besonders die Beckenregion und den Bereich der unteren ExtremitĂ€ten.
Bergner bezeichnete das Abstammungsmodell von Schultz explizit als âtypischen systematischen Stammbaumâ, der wegen seiner Grundlagen fĂŒr die Ahnenreihe gut geeignet sei (Abbildung 7).
Ein anderes Modell beschÀftigte sich im Zusammenhang des Ursprungs der Hominiden insbesondere mit einem Merkmal im SchÀdelbereich.
So veröffentlichte T. Mollison (1874-1952) ein Stammbaummodell, dass bei der Linie Homo auf Ergebnisse von Stirnhöhlenuntersuchungen zurĂŒckgriff. Danach ist der Ursprung der Hominiden bei miozĂ€nen GroĂmenschenaffen zu suchen, die gut ausgebildete Stirnhöhlen vorwiesen (Abbildung 8).
AbschlieĂend kann fĂŒr den Zeitraum der 30er Jahre gesagt werden, dass sich die Mehrheit der deutschen Forscher tendenziell von einer Pongidentheorie entfernt haben und eine UnabhĂ€ngigkeit bzw. EigenstĂ€ndigkeit der Hominiden annahmen.
Zum Ende dieses Jahrzehnts ist zunehmend zu beobachten, dass sich die Wissenschaftler in Deutschland in diesem Fachgebiet entweder mit der Rassenkunde bzw. Rassenfragen beschĂ€ftigten oder sich nicht mehr Ă€uĂerten.
Weiterhin gingen allgemein die oftmals theoretischen Veröffentlichungen zurĂŒck, da neue Funde in Asien und SĂŒdafrika dafĂŒr sorgten Abstammungsmodelle mit neuen Ergebnissen zu untermauern.
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