Stammbaum

Die Entwicklungsgeschichte des menschlichen Stammbaums

Abstammungskontroverse der 80er und 90er Jahre

Im Folgenden soll es dazu kommen eine Gegenüberstellung von vier verschiedenen Modellen (Abbildung 15), die sich allesamt mit denselben Hominiden-Formen beschäftigten und unterschiedliche verwandtschaftliche Verbindungen zogen.
Die Modelle sind aus den späten 70er, 80er und frühen 90er Jahren von Johanson und White, Skelton, Kimbel und Grine.
Die Ahnenreihen von Johanson und Skelton beschäftigten sich mit den verwandtschaftlichen Zusammenhängen von A. afarensis, A. boisei, A. robustus und A.africanus. Bei Kimbel und Grine wurde noch zusätzlich auf A. aethiopicus eingegangen, der erst nach der Veröffentlichung Skeltons um 1987 entdeckt wurde.
Johanson, der das Modell 1979 veröffentlichte, beschrieb A. afarensis als Stammart aller bis dahin bekannten Australopithecinen und des Genus Homo.
A. africanus wurde in eine von Homo getrennte Entwicklungslinie eingesetzt, die ein Ãœbergangsglied zu den robusten Australopithecinen darstellte.
Wie in Abbildung 15 (a) zu erkennen ist, gibt es ausgehend von A. africanus keine direkten Linien zu A. robustus und A. boisei. Hier wurde angenommen, dass noch eine Zwischenstufe vorgelegen haben muss, die zu dem Zeitpunkt noch nicht entdeckt wurde.
„Die breite Akzeptanz der A. afarensis zugeschriebenen Rolle gründete sich auf das methodisch wenig überzeugende Argument, dass „diese Art zur rechten Zeit am rechten Platz“ (Bilsborough) erschien“. Weiterhin wurde von Bilsborough darauf verwiesen, dass A. afarensis hinsichtlich der Merkmalsausprägungen sehr ursprünglich ist.
Das Modell von Skelton aus dem Jahre 1986 unterschied sich von dem zu Johanson in zwei wichtigen Punkten:
Einerseits führt von A. afarensis nur eine Linie in Richtung späterer Hominiden, nämlich die zu A. africanus. Andererseits ist letztere Form das entscheidende Bindeglied zur Gattung Homo. Insgesamt stellte Skelton gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern mittels einer Analyse von 60 kranio-dentalen Merkmalen fest, dass A. africanus, A. robustus, A. boisei und H. habilis eine enge Verwandtschaft zueinander aufwiesen und sich als getrennte Stammlinie zu A. afarensis absetzten.
„Ferner sprächen einige Synapomorphien von P. robustus, P. boisei und H. habilis dafür, dass eine frühe Population des Genus Australopithecus, die nur wenig ursprünglicher als A. africanus war, die gemeinsame Stammart von robustus Australopithecinen, H. habilis und H. rudolfensis stellte (Abb. 7.4 b)“.
Kurz nach der Veröffentlichung von Skelton kam eine Entdeckung zu Tage, die dieses und das Modell von Johanson in Erklärungsnot brachte. Der Fund KNM-WT 17000, der neuen Gattung P. aethiopicus zugeordnet wurde, wies wesentliche morphologische Ähnlichkeiten zu A. boisei auf, war jedoch deutlich älter.
Weiterhin bestanden zwischen P. aethipicus und A. afarensis hinsichtlich einiger Merkmale Übereinstimmungen. „KNM-WT 17000 ließe zwar die Annahme zu, dass sich die robusten Australopithecinen Südafrikas aus A. africanus oder einer ähnlichen Form entwickelten, verwirft jedoch eine entsprechende Ableitung für P. boisei, da der deutlich ältere, hyperrobuste P. aethiopicus Symplesiomorphien mit A. afarensis, nicht aber mit A. africanus aufweist“.
Im Jahre 1988 veröffentlichte Kimbel schließlich ein Modell, in dem die Gattung P. aethiopicus eingeordnet wurde (Abbildung 15 [c] ). Wie man sieht stellt P. aethiopicus eine Verbindung zwischen A. afarensis und A. boisei. Henke sah ein Konkretisie-rungsproblem hinsichtlich der phylogenetischen Rolle von A. africanus. Der Grund hierfür war die neue Form P. aethipicus, die die alleinige Stammart von A. africanus auszuschließen scheint.
Eine ganz andere phylogenetische Konstellation stammt von Grine, der 1993 seinen Entwurf beschrieb. Wie man sieht ist wie bei Skelten (Abbildung 15 [b] ), ein entschei-dendes Verbindungsglied zur Gattung Homo A. africanus. Er schloß die nähere Verwandtschaft von A. africanus zu den robusten Australopithecinen aus und nimmt eine A. africanus ähnelnde Homo-Spezies an - die in dem Modell als Fragezeichen offen bleiben - und als Zwischenglieder zur weiterführenden Homo-Linie führten. „Die Validität dieser Verwandtschaftsbeziehung wird damit begründet, dass KNM-WT 17000 einige Symplesiomorphien mit A. afarensis teilt, aber auch Synapomorphien mit P. robustus und P. boisei besitzt“.
Nach diesem kleinen Überblick über eine Kontroverse der 80er und frühen 90er Jahre, soll im Folgenden – bevor Modelle der Gegenwart bzw. des noch jungen 21. Jahrhunderts angeführt werden - noch ein Stammbaum der späten 90er Jahre veranschaulicht werden.

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