Stammbaum

Die Entwicklungsgeschichte des menschlichen Stammbaums

Stammbaum des Menschen

„Wo liegen meine Wurzeln?“ Diese Frage beschäftigt in diesem Augenblick eine Vielzahl von Menschen. Die Ausgangslage und die Zielsetzung sind allerdings nicht bei jedem Suchenden die Gleichen.
Die Privatperson von nebenan, die als Waise aufgewachsen ist, versucht über schriftliche Dokumente, Bilder oder Geschichten Angehöriger, etwas über ihre Eltern zu erfahren.
Die Suche hat speziellen Charakter und ist direkt für die Privatperson relevant. Eine zeitliche Distanz ist absehbar und liegt im Vorstellungsbereich; die Eltern müssen z.B. vor 40 oder 50 Jahren im Ort „x“ gelebt haben.
Die Zeiträume eines Forschers, der sich mit Stammbäumen der frühesten Menschen- und Vormenschenformen beschäftigt scheinen kaum greifbar zu sein.
Wissenschaftler, die sich mit der Abstammungslehre - die in Fachkreise Phylogenie ge-nannt wird - auseinandersetzen, üben ihre Tätigkeit nur indirekt für sich selbst aus.
Ihre Suche hat Bedeutung für die gesamte Menschheit und betrifft nicht ein einzelnes Individuum. Die Wurzeln, die es für den Anthropologen oder Archäologen zu analysieren gibt, liegen zehntausende, meist Jahrhunderttausende und nicht selten auch Millionen Jahre zurück. Diese Berufsgruppen können nicht auf Berichte oder Erzählungen anderer zurückgreifen, die mit den Vorfahren des Menschen Kontakt hatten. Weiterhin liegen keine schriftlichen, auf Papier gefassten, Dokumente vor, auf denen ein Individuum der Gattung Australopithecus über sein Leben berichtet.
Skelettfragmente geben den Wissenschaftlern einen Einblick in das Individuum und erzählen Geschichten, bei denen viele Fragen offen bleiben.
Die Analyse von Knochen mit den unterschiedlichsten Methoden ist die Grundvoraus-setzung für die Erstellung eines Stammbaums. Was einen Stammbaum auszeichnet und welche andere Möglichkeit es gibt, Verbindungen zwischen unterschiedlichen Menschenformen herzustellen, soll im Anschluss an diese Einleitung kurz angeführt werden.
Der Gliederungspunkt, der daran anknüpft soll einen kurzen Einblick über die gängigsten Methoden zur Festsstellung des Alters eines fossilen Knochens geben. Nur diese Methoden ermöglichen die zeitliche Eingrenzung der Familie der Menschen und menschenähnlichen Arten, die für die Erstellung eines Stammbaums von fundamentaler Bedeutung ist.
Daran schließt sich ein kurzer geschichtlicher Abriss an, über den Umgang mit der Abstammungsfrage an, die den Menschen seit Jahrtausenden nachweislich beschäftigt.
Dieser Abriss endet im 19. Jahrhundert, wo mit dem Biologen Ernst Haeckel derjenige Forscher gefunden ist, dessen Stammbäume die Wissenschaft um dieses Thema in neue, besonders konkretere Bahnen lenkten.
Das Ziel dieser Hausarbeit soll darin bestehen, einen möglichst kompakten Überblick über die Stammbäume der letzten gut 120 Jahre zu geben.
Bei der Behandlung der einzelnen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts werden vorwiegend jeweils zwei Stammbaummodelle angeführt, die sich manchmal hinsichtlich des Erscheinungsbildes, teilweise bezüglich der darum befindlichen Theorie oder aber gänzlich unterscheiden. Zumeist haben bestimmte „Regionen“ innerhalb des Modells Priorität, so beispielsweise in den 50er Jahren das sog. Tier-Mensch-Übergangsfeld (TMÜ), dem besondere Aufmerksamkeit zukommt.
Wie in dem oben angeführten Zitat aus dem Brockhaus von 1999 deutlich wird, gibt es so viele Stammbäume, dass auf jeden Wissenschaftler, der sich mit der Abstammungsfrage beschäftigt, einer kommen könnte. In einer solchen Hausarbeit im Umfang von etwa 30 Seiten kann es nur zu einer Auswahl von Stammbäumen kommen. Die ausgewählten Modelle der jeweiligen Jahrzehnte haben zumeist wegen ihrer theoretischen Basis eine herausragende Bedeutung.
Für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Aufsatz von G. Bergner sehr hilfreich, der sich mit der »Geschichte der menschlichen Phylogenetik seit 1900« beschäftigte.
Teilweise habe ich im Folgenden die Einteilung Bergners der einzelnen „Stammbaumphasen“ übernommen, um nicht einzelne Jahrzehnte zu trennen, die innerhalb eines Zyklus zusammenpassen. Für die Zeit nach 1960 waren verschiedenste Aufsätze und Monographien hilfreich, die überblicksartig die verschiedenen Hominidenformen und darum sich entwickelnden Stammbäume anführten.
Um Verwirrungen zu vermeiden sind kritische Anmerkungen und eigene Beurteilungen sowohl in längeren Fußnoten, als auch im Schlussteil dargestellt; anstatt direkt in den jeweiligen Textabschnitten wertend einzuwirken. Weiterhin habe ich in den Fußnoten kurze Informationen zu Gattungs- und Artnamen angeführt, da diesen für die spätere Einfügung innerhalb der Stammbäume zumeist große Bedeutung zukommt.
Dienlich hierfür war die Monographie von I. Tattersall und die Zeitschrift „Die Neandertaler. Eine Spurensuche“ von B. Auffermann und J. Orschiedt. Letztere führt im Glossar unter anderem zusammenfassende Erläuterungen zu unterschiedlichen Hominidenformen an. In den Fußnoten werden vorwiegend diejenigen Arten und Gattungen informativ erklärt, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Bedeutung gewinnen. In dem Hauptteil dieser Hausarbeit, der sich überblicksartig mit der Stammbaumentwicklung befasst, soll erst am Schluss, also dem Abschnitt, der sich mit einer Gegenwartsbetrachtung auseinandersetzt, auf aktuelle Jahreszahlen der Hominidenformen speziell eingegangen werden. In der Gegenwart liegt ist die Homi-nidenvielfalt am größten und die Auswertungen aus den Funduntersuchungen am aktuellsten.
Im Schlussteil sollen noch einmal die wichtigsten Veränderungen in der Stammbaum-geschichte aufgegriffen und zusammengefasst werden. Weiterhin soll der Frage nach der Aufgabe, dem Erkenntnisgewinn und der Bedeutung von Stammbäumen nachgegangen werden.
Stammbäume werden zum Ende des letzten Jahrhunderts bis in die Gegenwart zunehmend grafisch anspruchsvoller und die Modellzeichner lassen sich manchmal verschiedenste Dinge einfallen, um ihre Zeichnung für den Leser attraktiver zu machen.
Es wird sich zeigen, dass im Laufe der Jahrzehnte der Erkenntnisgewinn durch neue Knochenfunde zwar zunimmt, aber trotzdem zu keinem klaren und feststehenden Ergebnis in der Wissenschaft um die Abstammungslehre führt.

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